Anwerbung: staatliche vs. private Agenturen oder selbst machen?
Aufgrund des wachsenden Mangels an Pflegepersonal ziehen immer mehr Gesundheitseinrichtungen das Anwerben von ausländischen Fachkräften in Betracht. Dabei stehen sie vor der grundlegenden Entscheidung, ob sie staatliche oder private Agenturen zur Anwerbung wählen oder es gar komplett selbst in die Hand nehmen. Match hat für Sie alles Wissenswerte zu den jeweiligen Optionen zusammengefasst.
Das Wichtigste in Kürze
- Eigenständiges Anwerben: Keine Vermittlungskosten, hoher Zeitaufwand, juristisches Know-how, Sprachkenntnisse & gutes Netzwerk
- Staatliche Agenturen: Qualitätssicherung, ethische Arbeitsweise, niedrige Kosten, aber hohes Maß an Eigeninitiative gefordert
- Private Agenturen: Umfangreiche Dienstleistungen, individuelle Angebote, aber höhere Kosten und schwer prüfbare Qualität
- 5 Kriterien bei der Auswahl einer privaten Agentur: Transparenz, Referenzen, Kompetenzen, Infrastruktur und Spezialisierung
Eigenständiges Anwerben
Einige Gesundheitseinrichtungen versuchen, selbst ausländische Fachkräfte anzuwerben. Beispielsweise durch Social Media Gruppen oder direkte Kooperationen mit ausländischen Universitäten, um frühzeitig mit Absolvent:innen in Kontakt zu treten.
Auch wenn hier die offiziellen Vermittlungskosten entfallen, müssen dafür im Team oder durch eine dafür eingestellte Person zeitliche und finanzielle Ressourcen eingeplant werden. Zudem muss die Person über die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte sowohl in den Herkunftsländern als auch in Deutschland Bescheid wissen, um juristische Unannehmlichkeiten zu vermeiden.
Oftmals sind auch ein gutes Netzwerk und entsprechende Kenntnisse in der Sprache des favorisierten Herkunftslandes unabdingbar, um potenzielle Kandidat:innen zu finden und mit ihnen zu kommunizieren.
Staatliche Agenturen
Staatliche Agenturen, wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) und die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeiten insbesondere im Gesundheitssektor zusammen, um Fachkräfte aus dem Ausland an deutsche Arbeitgeber zu vermitteln.
Die ZAV bietet auch eigene Projekte mit dem jeweiligen Pendant der deutschen Auslands- und Fachvermittlung im Herkunftsland an. Im Rahmen dessen werden die Bewerber:innen (Fachkräfte und Auszubildende) durch die Arbeitsbehörden vor Ort direkt angesprochen und ausgewählt. Aktuell gibt es diese Zusammenarbeit in Brasilien, Mexiko und El Salvador. In Kolumbien befinden sie sich in Planung.
Triple Win Projekt
So widmet sich das Projekt Triple Win der nachhaltigen Gewinnung von Pflegefachkräften aus Drittstaaten für die deutsche Kranken- und Altenpflege.
Triple Win ist ein gemeinsames Projekt von GIZ und ZAV, das 2013 ins Leben gerufen wurde. Wie der Name vermuten lässt, steht „Triple Win“ für
einen dreiseitigen Gewinn. Gewinnen sollen 1. die Gesundheitseinrichtung in Deutschland, indem sie neue Fachkräfte gewinnen, 2. die angeworbene Pflegekraft, indem sie eine berufliche Perspektive erhält, und 3. die Herkunftsländer, indem sie ihren Arbeitsmarkt entlasten können – und indem die Fachkräfte ggf. irgendwann mit neuem Wissen und Erfahrungen wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Grundlage der Zusammenarbeit sind Vermittlungsabsprachen zwischen Deutschland und den Partnerländern.
Aktuell vermittelt das Programm bereits ausgebildete Pflegefachkräfte aus Bosnien-Herzegowina, Philippinen, Tunesien, Indonesien, Kerala in Indien und Jordanien. Die Pflegekräfte durchlaufen anschließend die Anerkennungsverfahren in Deutschland. Aus Vietnam werden Personen mit Vorerfahrung in der Gesundheitspflege für eine dreijährige Pflegeausbildung rekrutiert. Wichtig zu wissen ist: Wenn ausländische Fachkräfte mit einem B1 Sprachniveau aus dem Herkunftsland einreisen, kann das Anerkennungsverfahren auch erst in Deutschland starten.
Ein Kriterium bei der Auswahl der Länder ist, dass diese nicht auf der WHO Liste von Ländern mit einem sogenannten “kritischen Mangel” an Gesundheitspersonal stehen (die am 14.03.2023 aktualisierte Liste verzeichnet 55 Länder). Ein weiteres Kriterium lautet, dass die Ausbildungen in Deutschland und im Herkunftsland ähnlich sind. Dadurch soll später u.a. die fachliche Integration leichter fallen.
Vorteile sind, dass die Vereinbarungen zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Arbeitsverwaltungen in Partnerländern einen Qualitätsstandard gewährleisten. Zudem sieht das Projekt die Vermittlung von kleinen Gruppen von mindestens drei Pflegekräften pro Einrichtung vor, was förderlich für eine erfolgreiche berufliche und soziale Integration sein kann. Auch Mindestgehälter oder Ausbildungsvergütungen werden verbindlich festgelegt, um sicherzustellen, dass die vermittelten Pflegekräfte wie ihre deutschen Kolleg:innen entlohnt werden. So wird maximale Transparenz für alle Beteiligten geschaffen.
Die Kosten
Die Dienstleistung von Triple Win zur Vermittlung von internationalen Pflegefachkräften kostet derzeit 7.900 € (inkl. 19% Umsatzsteuer & Stand Juni 2023) und umfasst die Rekrutierung, Vermittlung sowie die Vorbereitung und Begleitung der Fachkräfte. Der Schwerpunkt liegt darauf, ausländische Pflegekräfte und deutsche Arbeitgeber im gesamten Prozess von der Anwerbung über die Visumsbeantragung und Anerkennung bis hin zu einer nachhaltigen Integration zu begleiten.
Worauf Sie achten sollten
Vorteile staatlicher Agenturen, wie das Triple Win Projekt, sind Qualitätssicherung und eine ethische Arbeitsweise sowie die relativ niedrigen Kosten. Nachteilig ist jedoch, dass viele Aufgaben von der Einrichtung oder der Pflegefachkraft selbst durchgeführt werden müssen. Hier hilft es, im Vorfeld des Projekts gemeinsam mit dem Anbieter genau zu definieren, was vertraglich festgehaltene Dienstleistungen in der Praxis umfassen und welche zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen eingeplant werden müssen.
Privatwirtschaftliche Agenturen
In den letzten Jahren hat die Anzahl der Personalvermittlungsagenturen für ausländische Pflegefachkräfte aufgrund des Fachkräftemangels zugenommen.
Zwar gibt es verschiedene Rechtsformen für Personalvermittlung, aber in Deutschland ist die Personalvermittlung ein Gewerbe, das beim zuständigen Gewerbeamt, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und dem Finanzamt angemeldet werden muss. Sprich auch Einzelpersonen können dies als Kleinunternehmer:in tun. Hinzu kommt, dass seit 2002 die Personalvermittlung keine Genehmigung und keine speziellen Qualifikationen erfordert. Das bedeutet, dass auch branchenfremde Personen in der Vermittlung von Pflegefachkräften tätig sein können.
Die Kosten
Die Kosten privater Agenturen für die verschiedenen Dienstleistungen variieren je nach Umfang und Herkunftsland stark. Es ist deshalb wichtig, bei Beratungsgesprächen und später schriftlich im Vertrag genau zu klären, welche Art von Unterstützung und Kommunikationsvereinbarungen beinhaltet sind. Außerdem lohnt es sich bei einigen Dienstleistungen, wie z.B. die Begleitung bei der Wohnungssuche, nachzufragen, wie weit der Umfang des Services reicht.
Die Preise können hier bis zu 18.000€ gehen. Gebühren für Sprachkurse können ebenfalls stark nach Umfang schwanken. Einige Agenturen müssen auch mit staatlichen Stellen im Herkunftsland zusammenarbeiten und entsprechende Gebühren zahlen, wie z.B. auf den Philippinen. Es ist wichtig, dass auch Sie sich über die Herkunftsländer und deren spezifische Anforderungen für die Rekrutierung informieren. Je mehr Sie wissen, desto besser können Sie die Angebote und Leistungen einer Agentur beurteilen.
Worauf Sie achten sollten
Um seriöse und ethisch agierende Agenturen zu finden, kann eine Mitgliedschaft in einem Verband hilfreich sein. Zudem sind Erfahrungsberichte aus dem eigenen Netzwerk sehr hilfreich. Tauschen Sie sich mit anderen Einrichtungen Ihrer Region, Ihres Trägers oder Verbands aus, um zu erfahren, mit welchen Agenturen bereits gut zusammengearbeitet wurde und was die Herausforderungen waren. Dabei kann es auch hilfreich sein, nach Erfahrungen mit Herkunftsländern zu fragen. Sie können sich ebenfalls an Plattformen wie Match für eine Empfehlung, basierend auf Ihrem Anforderungsprofil, wenden. Auch das Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ ist ein Zeichen für Fairness und Transparenz einer Agentur.
Klären Sie im Kennenlerngespräch, mit welchen Partnern die Agentur in den Herkunftsländern als auch in Deutschland zusammenarbeitet, um eine Qualitätssicherung zu gewährleisten. Um gesetzliche Bestimmungen einzuhalten sollten Sie bei der Auswahl der Agentur auch darauf achten, dass gemäß der WHO Bestimmung nicht aus Ländern mit einem kritischen Mangel an Gesundheitspersonal rekrutiert wird. Denn dies ist verboten und wird mit hohen Strafen belegt.
Private Agenturen bieten oft verschiedene kombinierbare Services wie z.B. reine Rekrutierung, Visumsprozess, Sprachausbildung oder Unterstützung bei beruflicher Anerkennung und Integration. Deshalb ist es ratsam, nach der Angebotserstellung zu prüfen, welche Dienstleistungen abgedeckt sind und ob alle Kostenpunkte nachvollziehbar sind. Lassen Sie vor einem Vertragsabschluss Ihre Rechtsabteilung prüfen, ob alle mündlich abgestimmten Kommunikationsvereinbarungen vertraglich festgehalten wurden.
Auch wenn private Agenturen oft höhere Kosten haben und die Qualität sowie die Arbeitsweise schwer zu überprüfen sind, bieten sie umfangreiche Dienstleistungen an. Qualitativ hochwertige Agenturen lassen sich am besten durch das eigene Netzwerk oder mit Match durch positive Empfehlungen finden.
5 Kriterien, die eine gute private Agentur erfüllen sollte
- Transparenz: Vertragsinhalte müssen in ihrer Ausgestaltung für alle Beteiligten nachvollziehbar sein, ebenso müssen die Partner im Herkunftsland klar ersichtlich sein.
- Referenzen: Lassen Sie sich Referenzen zeigen, um Einblicke in bisherige Leistungen und die Zusammenarbeit mit Partnern in Deutschland sowie im Herkunftsland zu erhalten.
- Kompetenzen: Die Agentur sollte mit ihrem Team eine breite Expertise aufweisen.
- Infrastruktur: Idealerweise weist die Agentur eigene Mitarbeiter:innen, Niederlassungen oder Beteiligungen im Ausland vor, um die Rekrutierung nahtlos zu gestalten und die gesamte Prozesskette in der eigenen Hand zu halten.
- Spezialisierung: Die Agentur sollte sich auf eine spezifische Auswahl von ein bis drei Berufsgruppen spezialisiert haben, denn wer mit einem „Alles für jeden“ Ansatz wirbt, ist in der Regel wenig seriös.
Fazit
Ob Sie sich für eine staatliche oder private Agentur entscheiden oder selbständig im Herkunftsland rekrutieren möchten, hängt von individuellen Faktoren und Ressourcen ab. Die meisten Einrichtungen setzen in der Praxis aufgrund des umfassenden Serviceangebotes auf private Agenturen. Dabei sind die Agenturen in den meisten Fällen Empfehlungen aus dem Netzwerk.
Unabhängig davon, ob Sie mit einer staatlichen oder privaten Agentur anwerben, das Wichtigste ist immer: Transparenz.
Achtung
Wenn Ihnen eine bereits anerkannte Fachkraft angeboten wird, hinterfragen Sie den Anerkennungsprozess und Kontakt, um fair und nachhaltig zu rekrutieren. Es könnte sich hierbei um sogenannte Wilderei handeln. Dies beschreibt die Praxis einiger Vermittlungsagenturen, bereits anerkannte Pflegefachkräfte oder solche, die sich im Anerkennungsprozess befinden, abzuwerben und mit vermeintlich besseren Bedingungen und Gehältern an andere Arbeitgeber zu vermitteln. Oftmals wird auch von der Pflegekraft noch eine monetäre Leistung verlangt.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im Beitrag von Lucrezia Dienst in:
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