Sprachniveaus nach dem GER
Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) ist ein international anerkannter Standard, der den Lernfortschritt beim Spracherwerb im Einzelnen beschreibt. Einfach ausgedrückt dient der Referenzrahmen als Hilfe, um Dein Niveau vom Anfänger (A1) bis hin zum Fortgeschrittenen (C1) zu beschreiben.
Die GER-Niveaus bauen aufeinander auf und reichen bis zum muttersprachlichen fließenden Sprechen.
Das Wichtigste in Kürze
- GER Sprachniveaus: Der GER teilt Sprachkenntnisse von A1 bis C1 ein, wobei B2 für Pflegefachkräfte in Deutschland erforderlich ist.
- Sprachzertifikate: Pflegefachkräfte benötigen B2-Niveau für die Anerkennung, z. B. durch das Goethe-Institut oder telc.
- Sprache in der Pflege: Bedeutend für fachliche Kommunikation und soziale Integration, mit speziellen Herausforderungen für ausländische Pflegekräfte.
- Sprachausbildung: Wahl zwischen Erwerb als Fremdsprache im Herkunftsland oder als Zweitsprache in Deutschland, idealerweise eine Kombination.
- Empfehlungen für Arbeitgeber: Unterstützung beim Spracherwerb, Rücksicht auf Stress, Förderung von Motivation, Dialektbewusstsein und ausgewogene Korrektur für erfolgreiche Integration.
Sprachniveau A1
Absoluter Anfänger: Die Sprachlernende kann bekannte alltägliche Ausdrücke verstehen und verwenden. Sie kann sich und andere vorstellen und persönliche Fragen stellen und beantworten. Zudem kann sie an einer einfachen Unterhaltung mit einem langsam sprechenden Gesprächspartner teilnehmen.
Stundenumfang zum Erreichen des jeweiligen Niveaus: ca. 100 Stunden
Sprachniveau A2
Anfänger: Die Sprachlernende kann Sätze und häufig verwendete Ausdrücke verstehen, die mit bekannten Themen zusammenhängen. Sie kann in routinemäßigen Situationen mit einfachen Worten kommunizieren. Zudem kann sie Hintergrundinformationen sowie die direkte Umgebung in einfachen Worten beschreiben.
Stundenumfang zum Erreichen des jeweiligen Niveaus: ca. 150 Stunden
Sprachniveau B1
Mittelstufe: Die Sprachlernende kann grundlegende Dinge in Bezug auf Arbeit, Schule, Hobby usw. verstehen. Sie kann mit den meisten Situationen umgehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Reise in die Region entstehen, wo die Sprache gesprochen wird. Zudem kann sie einen einfachen zusammenhängenden Text zu bekannten Themen schreiben.
Stundenumfang zum Erreichen des jeweiligen Niveaus: ca. 150 Stunden
Sprachniveau B2
Obere Mittelstufe: Die Sprachlernende kann einen komplexen Text zu sowohl allgemeinen als auch spezifischen Themen verstehen. Das beinhaltet fachsprachliche Diskussionen in ihrem Spezialgebiet. Sie kann mit Muttersprachlern interagieren, sie einfach verstehen und sich selbst ausdrücken, ohne über die Sprache nachzudenken. Zudem kann sie klare, detaillierte Texte schreiben und Standpunkte zu einem bestimmten Thema erklären, in dem Argumente und Gegenargumente angeführt werden.
Stundenumfang zum Erreichen des jeweiligen Niveaus: ca. 150 Stunden
Sprachniveau C1
Fortgeschritten: Die Sprachlernende kann eine Vielzahl langer und komplizierter Texte verstehen und schreiben. Sie kann sich fließend ausdrücken, ohne nach Worten zu suchen. Zudem kann sie die Sprache kreativ und vielseitig für soziale, akademische und berufliche Zwecke verwenden.
Stundenumfang zum Erreichen des jeweiligen Niveaus: ca. 150 Stunden
Erforderliche Sprachniveaus zur Anerkennung
Um hierzulande als Pflegefachkraft zugelassen zu werden, fordern die zuständigen Landesbehörden einen Nachweis der „für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache“ (PflBG Abschnitt 1 § 2 Punkt 4). In der Praxis bedeutet dies das Vorlegen eines Sprachzertifikats, das die Sprachkompetenz auf dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) bescheinigt.
Von Behörden anerkannte Sprachzertifikate
Ausländische Pflegefachkräfte müssen ihre erworbenen Sprachkenntnisse (bspw. für die Beantragung des Visums und für die Beantragung der beruflichen Anerkennung) bei den zuständigen Behörden nachweisen. Hierfür benötigt die Pflegefachkraft ein in Deutschland anerkanntes Sprachzertifikat.
Die bekanntesten Anbieter hierfür sind
- das Goethe-Institut,
- telc-zertifizierte Sprachschulen,
- Mitglieder der ALTE (Association of Language Testers in Europe),
- das TestDaF-Institut
- und ÖSD (Österreichisches Sprachdiplom Deutsch).
Bei diesen Sprachzertifikaten und den dazugehörigen Kursen ist zu beachten, dass diese in der Regel allgemeinsprachlich ausgerichtet sind. Allerdings gibt es Anbieter, die berufsspezifische Deutschkurse speziell für Pflegekräfte anbieten.
Die Bedeutung von Sprache in der Pflege
Die fachliche Bedeutung von Sprache
In ihrem Beruf muss eine Pflegefachkraft tagtäglich die unterschiedlichsten sprachlich-kommunikativen Aufgaben meistern. Dazu gehört die Kommunikation mit Patient:innen oder Bewohner:innen, mit Kolleg:innen aus dem unmittelbaren oder interdisziplinären Umfeld sowie mit Angehörigen. Dabei muss sie ihr Vokabular bzw. ihre Formulierungen jeweils der Zielgruppe anpassen. Schließlich unterscheidet sich ein Anleitungsgespräch von einer Dienstübergabe und man verfasst eine Pflegeplanung anders als man ein Anamnesegespräch dokumentiert. Deutschsprachige Pflegefachkräfte, die hierzulande ihre Ausbildung absolvieren, erlernen berufssprachliche Nuancen nebenbei. Für ausländische Pflegefachkräfte jedoch stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar. Bereits erarbeitetes Fachwissen aus dem Herkunftsland kann nämlich nur dann Früchte tragen, wenn es auch in Deutschland versprachlicht werden kann. Dies wiederum ist auch entscheidend für die zwischenmenschliche Anerkennung als Pflegefachkraft im Kollegium. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Pflegefachkräften mit ausgefeilten fachlichen Fähigkeiten in Kombination mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht selten die Kompetenz abgesprochen wird. Nur wer fachlich und sprachlich handeln kann, wird im beruflichen Umfeld ankommen und sich ins Team einfinden.
Schließlich steht in der alltäglichen Arbeit jedoch nichts Geringeres als der Patient:innenschutz/Bewohner:innenschutz an erster Stelle. Voraussetzung dafür ist eine gelingende Zusammenarbeit im (interdisziplinären) Team, z. B. durch detaillierte Dokumentation oder sorgfältige Informationsweiterleitung. In manchen Situationen sorgen sprachliche Fehler für Schmunzeln – in Notfallsituationen, z. B. einer Intubation, können sie gravierende Folgen nach sich ziehen.
Die soziale und integrative Bedeutung von Sprache
Ein weiteres Ziel neben dem sprachlichen Ankommen am Arbeitsplatz ist natürlich, sich hierzulande auch gesellschaftlich zu integrieren. Sprache spielt in beiden Fällen eine besondere Rolle.
Sprachkompetenz öffnet die Tür zu einer (deutschsprachigen) Gruppe und ermöglicht dadurch Zugehörigkeit und Identifikation. Wie stark man Teil dieser Gruppe ist, ist durch das Sprachniveau bedingt. Dieses kann beispielsweise zur sprachlichen Bewältigung der grundlegenden Aufgaben im Arbeitsalltag ausreichen, aber gleichzeitig bei komplexen oder allzu umgangssprachlichen Situationen ein Ausschlusskriterium aus der Gruppe darstellen.
Wer sich nicht ausreichend als Teil der Gruppe wahrgenommen fühlt, zieht sich zurück. Dies birgt eine Gefahr für gelingende Integration.
Woran erkenne ich eine gute Sprachschule?
Die wichtigsten Kriterien für eine gute Sprachschule und einen guten Sprachunterricht im Überblick:
- Teilnehmerorientierung: Darunter versteht man die Ausrichtung des Unterrichts auf die internationalen Pflegefachkräfte mit ihren besonderen fachlichen Kompetenzen und ihren individuellen Lebenswegen. Teilnehmerorientierung findet statt, wenn kein Unterricht vom Fließband durchgeführt wird.
- Handlungsorientierung: Damit ist gemeint, dass weniger theoretische Grammatikinhalte als vielmehr sprachlich-kommunikative Kompetenzen vermittelt werden, die einen direkten Bezug zum Pflegealltag haben. Als hilfreich haben sich hierfür realitätsnahe Szenarien erwiesen, die in Form von Rollenspielen trainiert werden.
- Scaffolding: Dieses Konzept beschreibt das Anbieten von unterschiedlichen Hilfestellungen beim Bewältigen einer (sprachlich-kommunikativen) Aufgabe, z. B. dem Verfassen eines Pflegeberichts. Man führt die Pflegefachkräfte mit einem „Gerüst“ (engl. scaffold) aus spezifischen Anweisungen, Tipps oder sonstiger Unterstützung an die Aufgabe heran und verfolgt das Ziel, dass sie den Pflegebericht nach einer gewissen Zeit eigenständig, d.h. ohne das Gerüst auf Deutsch verfassen können.
Einsatz von Realien: Hierbei geht es um den unmittelbaren Theorie-Praxis-Bezug. Im Unterricht können beispielsweise echte Geräte, authentische Dokumente oder andere Gegenstände genutzt werden. Wer statt einem Arbeitsblatt einen echten Dienstplan oder Beipackzettel in den Händen hält, findet sich später, am eigentlichen Arbeitsplatz, schneller zurecht. Der Berufsalltag ist somit bereits im Sprachunterricht buchstäblich zum Greifen nah.
Sprachausbildung besser im Herkunftsland oder in Deutschland?
Die deutsche Sprache kann sowohl im Herkunftsland als auch hierzulande erlernt werden. Der lokale Kontext des Spracherwerbs bedingt, ob man von Deutsch als Fremdsprache oder von als Deutsch als Zweitsprache spricht. Beide Formen des Spracherwerbs bringen verschiedene Vor- und Nachteile mit sich.
Deutsch wird als Fremdsprache erworben, wenn die Sprachausbildung außerhalb des deutschen Sprachraums vonstatten geht, beispielsweise an einer Sprachschule in Mexiko. Dabei wird Deutsch nur zu festen Zeiten in der Woche und mit bestimmten Personen gesprochen, z. B. mit der Lehrkraft. Zwar erweitert die Pflegefachkraft durch den Unterricht ihr Wissen über die deutsche Sprache und Kultur, sie kann dieses Wissen jedoch nicht direkt in ihrem mexikanischen Alltag einsetzen. Ein derartiger Spracherwerb ist besonders für die unteren Niveaustufen des GERs geeignet, z. B. A1 bis B1. Die Pflegefachkraft kann sich in ihrer vertrauten Umgebung Stück für Stück an die deutsche Sprache und Kultur herantasten und bereits im Herkunftsland den Grundstein für einen gelungenen Start am Arbeitsplatz und im Alltag in Deutschland legen.
Deutsch wird als Zweitsprache erworben, wenn sich die Pflegefachkraft im deutschen Sprachraum aufhält und auch im Alltag von der deutschen Sprache umgeben ist, z. B. beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz. Durch dieses Setting muss die Pflegefachkraft auch im Alltag und außerhalb des Sprachkurses von ihren Sprachkenntnissen Gebrauch machen und mit einer weitaus größeren Zahl an Personen auf Deutsch kommunizieren als lediglich mit der Lehrkraft und den Mitschüler:innen, z. B. beim Einkaufen. Auch vermeintlich kleine Situationen sprachlich meistern zu können schafft Selbstvertrauen und fördert die Motivation für den weiteren Weg.
Match Empfehlung
- Sprache ist der Schlüssel zur fachlichen, betrieblichen und sozialen Integration. Unterstützen Sie den Spracherwerb Ihrer ausländischen Pflegefachkräfte, damit sie sich sicher und souverän im Berufsalltag und im Privatleben bewegen können.
- Beachten Sie dabei: Ein Sprachzertifikat sagt nur bedingt etwas über die tatsächliche Sprachkompetenz aus.
- Nutzen Sie eine Kombination aus Spracherwerb im Herkunftsland und Spracherwerb in Deutschland. Unabhängig davon, ob die Pflegefachkraft mit B1 oder B2 einreist, sollte der Spracherwerb nach der Ankunft in Deutschland nahtlos fortgesetzt und vom Arbeitgeber unterstützt werden.
- Nehmen Sie Rücksicht: Unter emotionalem und körperlichem Stress sowie unter Zeitdruck können der Spracherwerb und die Ausdrucksfähigkeit leiden. Geben Sie Ihren neuen Kolleg:innen die notwendige Zeit, um sich in der neuen Sprachumgebung einzuleben. Auch Verschnaufpausen sind wichtig. Gibt es Kolleg:innen mit derselben Muttersprache, können diese die neuen Kolleg:innen in einzelnen Situationen auch in der Muttersprache unterstützen.
- Motivieren Sie Ihre Pflegefachkräfte, auch im Privaten Deutsch zu sprechen. Gute Gelegenheiten zum Deutschlernen bieten z. B. Sport- und Kulturvereine oder Tandems.
- Teams sollten sich im Berufsalltag nach Möglichkeit regionaler Formulierungen (Dialekte) bewusst werden und diese, wenn möglich, vermeiden oder erklären. Mit den neuen Kolleg:innen und bei Dienstbesprechungen sollte Hochdeutsch gesprochen werden – auch wenn das manchmal aus Gewohnheit schwerfällt. Wörter wie “Weckle”, “Schmier” und “Hannebambel” stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf der Wortschatzliste der deutschen oder gar mexikanischen Sprachschule.
- Fragen Sie nach Besprechungen, ob Ihre neue Kollegin alles verstanden hat. Ein einfaches “ja” ist dabei nicht dienlich. Motivieren Sie sie, Inhalte und Aufgabenstellungen mit ihren eigenen Worten zu wiederholen, um sicherzustellen, dass alles verstanden wurde.
- Korrigieren Sie nicht jede falsche Präposition und jeden falsch verwendeten Artikel. Zu viel Verbesserung kann für eine Person im Spracherwerb anstrengend und demotivierend sein. Unterstützung ist gut – aber zu viel des Guten bewirkt manchmal das Gegenteil.
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