Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte
Die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist längst keine Nischenlösung mehr. Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ (Anerkennungsgesetz) 2012 ist die Zahl an Anträgen auf Anerkennung in der Pflege nahezu stetig gestiegen. Die Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften wird zunehmend wichtiger, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu sichern. Immer mehr Gesundheitseinrichtungen greifen auf diese Maßnahme der Personalgewinnung zurück. Erfahren Sie in diesem Artikel, was Sie vor und bei der Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte grundlegend beachten sollten.
Das Wichtigste in Kürze
- Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist eine langfristige Maßnahme und eine strategische Entscheidung
- Anwerbeprozesse sind zeit- und bürokratieintensiv, brauchen frühzeitige Planung und genaue Vorbereitung
- Anwerbeprozesse erfordern eine frühe Einbindung der Teams, klare Aufgabenverteilung und Erwartungsmanagement
- Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte als Möglichkeit, Gesundheitseinrichtungen fachlich und kulturell zu bereichern
- Regionale Netzwerke gewährleisten Wissensaustausch und helfen in der Planung und Umsetzung
Ausgangslage Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist seit Jahren ein politisches und mediales Dauerthema. Abseits der Arbeitsmarktstatistiken und Prognosen hinsichtlich demografischem Wandel und steigender Personalnot fragen sich immer mehr Krankenhäuser, Kliniken, Pflegeheime und ambulante Dienste, wie sie qualifiziertes Personal gewinnen und binden können. Hierfür gibt es viele Maßnahmen, aber keinen Königsweg.
An erster Stelle steht für die meisten Einrichtungen nach wie vor die Ausbildung junger Menschen zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann. Laut Statistischem Bundesamt schlossen 2022 52.100 Menschen einen Vertrag für die dreijährige Ausbildung ab. Das bedeutete zugleich einen Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ist die Zahl der Anerkennungen ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege um 13% auf ca. 21.000 gestiegen.
Die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist längst keine Nischenlösung mehr. Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ (Anerkennungsgesetz) 2012 ist die Zahl an Anträgen auf Anerkennung in der Pflege nahezu stetig gestiegen. Die Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften wird zunehmend wichtiger, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu sichern. Immer mehr Gesundheitseinrichtungen greifen auf diese Maßnahme der Personalgewinnung zurück.
10 Leitfragen, die Sie sich vor der Anwerbung stellen sollten
- Bedarf: Wie viele Fachkräfte aus dem Ausland benötige ich und in welchen Bereichen? Was sollte die neuen Kolleg:innen fachlich und persönlich auszeichnen?
- Personelle Ressourcen: Gibt es Personen im Haus, die sich um den Anwerbeprozess kümmern können? Haben wir genügend Personal, um die Verantwortung und die Aufgaben richtig zu verteilen? Und verfügen diese Personen über die erforderlichen zeitlichen Ressourcen?
- Zuständigkeiten: Welche Personen und Abteilungen sind in der Einrichtung für die Anwerbung verantwortlich? Wer ist für die Anerkennung und Qualifizierung zuständig?
- Bereitschaft: Sind alle Abteilungen im Haus bereit, den Weg der Anwerbung und Integration ausländischer Pflegefachkräfte gemeinsam zu gehen? Sind wir uns darüber bewusst, dass diese Maßnahme langfristig Entlastung bringt, zunächst aber eine zusätzliche Belastung darstellt?
- Anwerbung: Mit welchen Partnern möchten wir Pflegefachkräfte aus dem Ausland anwerben? Mit einer staatlichen oder einer privaten Personalagentur? Oder möchten wir selbst anwerben?
- Teams: In welchem Zustand sind die etablierten Teams auf den Stationen und Wohnbereichen? Sind sie bereit und haben sie die Power, die Einarbeitung und Integration zu meistern? Und haben sie hierfür das notwendige Know-How und die Ressourcen?
- Budget: Wie viel Budget steht zur Verfügung? Welche externen Dienstleistungen kann ich mit diesem Budget abdecken? Und welche Aufgaben müssen intern übernommen werden?
- Wissen: Bin ich bereits umfänglich über Herkunftsländer, Visum, zuständige Behörden etc. informiert? Welche Stellen können mir Infomaterial oder, wie Match, eine individuelle Beratung bieten?
- Anerkennung: Kenne ich alle Schritte im Anerkennungsverfahren? Habe ich bereits die richtigen Partner:innen für die sprachliche und fachliche Qualifizierung und die Kontakte zu den zuständigen Anerkennungsstellen?
- Integration: Wer begleitet den Integrationsprozess? Haben diese Personen die notwendigen Ressourcen? Und sind sie auf diese Aufgabe durch Workshops oder Fort- und Weiterbildungen vorbereitet?
Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte als fachliche Bereicherung
Die Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften bietet die Chance, zusätzliche Expertise zu erhalten und sich pflegefachlich breiter aufzustellen. Ausländische Pflegefachkräfte
- sind oftmals akademisch ausgebildet,
- weisen ein breites Skillset mit medizinischen Kenntnissen und einem Fokus auf Behandlungspflege auf,
- haben in ihrer Ausbildung und ihren Praxiseinsätzen ein anderes Verhalten bei Problemlösungen erlernt,
- und bringen ein anderes Pflegeverständnis mit.
Dass die neuen Kolleg:innen etwas “anders” machen oder eine “andere” Ausbildung im Gepäck haben, wird gerne problematisiert. Das muss aber nicht sein. Schließlich geht es nicht um “besser” oder “schlechter” ausgebildet sein als die Kollegen:innen mit deutscher Pflegeausbildung. Gewinnbringender ist es, allen Ansätzen, Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen, die ausländische Pflegefachkräfte mitbringen, offen gegenüberzustehen: Welche Impulse können die neuen Kolleg:innen unserer Pflege und unserem Pflegeverständnis geben? Welches Fachwissen können sie einbringen?
Zudem zeigt die Erfahrung, dass ausländische Pflegefachkräfte oftmals eine hohe intrinsische Motivation mitbringen, nach der beruflichen Anerkennung zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, Fort- und Weiterbildungen zu besuchen und sich für Praxisanleitung, Bereichsleitung oder Pflegedienstleitung zu qualifizieren.
Anwerbung als behördlicher Hindernislauf
Anwerbungen sind sehr komplex, zeitaufwendig und von viel Bürokratie geprägt. Wer Pflegefachkräfte anwirbt, sollte sich vergewissern, welche Behörden mit welchen Befugnissen und Aufgaben in den Anwerbeprozess involviert sind.
Hierzu zählen:
- die jeweiligen Auslandsvertretungen (Botschaften) und/oder das Amt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel bei der Visaerteilung,
- die zuständige regionale Ausländerbehörde vor der Einreise für die Zustimmung zum Visum und nach der Einreise für die Erteilung des Aufenthaltstitels,
- die Zentrale Ausländerbehörde des Bundeslandes für das Beschleunigte Fachkräfteverfahren,
- die anerkennende Stelle im jeweiligen Bundesland bei der Beantragung der Gleichwertigkeit und der Erstellung des Defizitbescheids,
- die Bundesagentur für Arbeit für die Zustimmung zur Aufnahme einer Beschäftigung.
Trotz dieser vielen Fragen sind Sie im Anwerbeprozess nicht allein: Viele Personalagenturen leisten Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten, kennen die Zuständigkeiten (im In- und Ausland) und die Verfahren. Zudem haben Sie Erfahrungen im Umgang mit Behörden und hinsichtlich zu kalkulierender Zeiträume (bspw. zum Erhalt des Visums oder des Defizitbescheids).
Mehr zum Leistungspaket von Personalagenturen und was Sie dabei beachten sollten, erfahren Sie hier.
Anwerbung als Herausforderung
Die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist niemals eine kurzfristige Lösung gegen die angespannte Personalsituation. Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben und zu integrieren ist immer eine langfristige Maßnahme. Schon aufgrund der vielen Bürokratie, des Einreise- und Anerkennungsprozesses, der Integration sowie des Spracherwerbs ist Geduld gefragt.
Für eine Gesundheitseinrichtung ist die Anwerbung von Pflegefachkräften immer eine strategische Entscheidung, die prinzipiell von der Führungsebene getroffen wird. Dabei sollte bedacht werden, dass sich die Anwerbung und Integration ausländischer Pflegefachkräfte ungeachtet einzelner Zuständigkeiten auf die komplette Einrichtung auswirkt und von allen Ebenen und Abteilungen mitgetragen werden muss. Auch wenn die neuen Kolleg:innen vielleicht nur auf einer Station zum Einsatz kommen. Diversität und Willkommenskultur müssen von der Führungsebene vorgelebt werden, das Topmanagement muss mit gutem Beispiel vorangehen.
Zudem empfiehlt sich, die etablierten Teams nicht nur frühzeitig über die Anwerbepläne zu informieren, sondern sie ggf. auch in die Entscheidung einzubeziehen. Die Leitfrage lautet: Wollen wir diesen Weg der Personalgewinnung gemeinsam gehen? Schließlich findet der Großteil der Einarbeitung und Integration der neuen Kolleg:innen in den Teams statt.
Es sind die Teams, die
- das fachliche und kulturelle Onboarding in der alltäglichen Arbeit übernehmen,
- den neuen Kolleg:innen ihr Pflegeverständnis näherbringen,
- ihnen alles zeigen und erklären,
- sie in alltäglichen Situationen beim Spracherwerb unterstützen und
- bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
In den ersten Wochen werden die neuen Kolleg:innen die Teams nicht entlasten. Anwerbung und Integration ist eine große Chance! Aber immer auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Sie einzuarbeiten und zu integrieren braucht Zeit und Ressourcen, die man den Teams zur Verfügung stellen muss; bspw. mit interkulturellen Workshops und der dauerhaften Unterstützung durch eine:n Integrationsmanager:in.
Auch Bewohner:innen und Angehörige sollten über die neuen Kolleg:innen informiert und ihnen erklärt werden, warum sich die Einrichtung zu diesem Schritt der Personalgewinnung entschieden hat. Gerade in der Anfangsphase kann es aufgrund von Sprachschwierigkeiten zu Missverständnissen kommen. Dann ist beidseitiges Verständnis gefragt. Um eine warmherzige Willkommenskultur in der Einrichtung zu etablieren, sind alle dazu aufgerufen, diese zu unterstützen und zu leben.
Die größte Herausforderung liegt immer bei den ausländischen Pflegefachkräften. Sie begeben sich in ein neues unbekanntes Land, mit anderer Sprache, anderer Kultur und verlassen ihre Heimat, ihre Familie und ihre Freunde. Zugleich werden sowohl von Arbeitgebern als auch von etablierten Teams sowie von den Familien in der Heimat hohe Erwartungen an sie gestellt. Im kompletten Verlauf des Anwerbe- und Integrationsprozesses ist immer mitzudenken: Die ausländischen Pflegefachkräfte tragen das größte Risiko.
Anwerbung als kulturelle Bereicherung
Wir leben in einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft. In Deutschland haben laut Bundeszentrale der politischen Bildung fast 29% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Entsprechend der Demografie werden zunehmend auch Menschen mit Migrationshintergrund pflegebedürftig werden, was die Klientel von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten langfristig verändern wird. Das wird auch Auswirkungen darauf haben, wie Pflege in Deutschland zukünftig organisiert und gestaltet sein muss, hinsichtlich sprach-, kultur-, geschlechts- und religionsspezifischen Aspekten. Diese Entwicklung erfordert eine interkulturelle Öffnung der Einrichtungen, der Pflegenden, der Pflegebedürftigen und der Angehörigen.
Ausländische Pflegefachkräfte können in unserer vielfältigen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie ihre kulturellen und sprachlichen Kompetenzen einbringen und pflegebedürftige Menschen unterschiedlicher Herkunft kultursensibel und ggf. auch in ihrer Muttersprache versorgen. Vielfalt ist eine große Chance, mit der nicht nur die Pflege, sondern auch die gesamte Gesellschaft bereichert wird.
Die Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften braucht gute Konzepte, viel Zeit, personelle und finanzielle Ressourcen und persönliches Engagement. Und es braucht ein starkes “WIR”!
Mehr zum Thema Integration erfahren Sie hier.
Match Tipps
- Die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist immer eine langfristige Maßnahme zur Personalgewinnung und eine strategische Entscheidung
- Verschaffen Sie sich bereits bei den ersten Überlegungen und Ideen einen Überblick über alle Zuständigkeiten und beteiligten Akteure
- Informieren Sie sich ausführlich über den Ablauf von Anwerbeprozessen
- Wägen Sie die Vor- und Nachteile einer staatlichen und einer privaten Agentur sorgfältig ab
- Das “Gütesiegel Faire Anwerbung” kann Orientierung bei der Auswahl einer geeigneten Personalagentur bieten
- Nutzen Sie regionale Netzwerke, in denen Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden und Sie voneinander lernen können
- Match bietet regelmäßig kostenlose Informations- und Regionalveranstaltungen zu vielen Themen rund um die Anwerbung, Anerkennung, Qualifizierung und Integration an
- Nutzen Sie kostenlose Beratungsangebote für Arbeitgeber beim Thema Anerkennung, wie bspw. Beratungsangebote des IQ Netzwerks
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